Gastvortrag von Prof. Schmale in der Reihe Anthropologie der Digitalisierung – Menschsein im 21. Jahrhundert am Freitag, 17. Mai 2019, 18:00 Uhr in GA 03/149
Digitalisierung stellt einen nicht hoch genug einzuschätzenden technischen und wirtschaftlichen Fortschritt dar, der auch unseren privaten Alltag erheblich bereichert. Aber es gibt sozio-psychische Begleitumstände und Folgen, die bedacht werden müssen. Die Problematik ist zentral damit verbunden, dass Digitalisierung auf dem binären Zahlensystem fußt (1 oder 0), das durch eine On/off-Schaltung einer elektrischen Spannung technifizierbar ist.
Die Gefahren der Digitalisierung lauern dort, wo existentiell notwendige soziopsychische Prozesse, die sich nicht auf binäre Ausdrücke reduzieren lassen, ausgeblendet werden und bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben. Wenn dies biologisch wie kulturell lebenswichtige menschliche Funktionen trifft, die durch Digitalisierung ersetzt werden sollen, könnte das zu folgenschweren Reiz-Reaktionsdefiziten, Empfindungs- und Wahrnehmungsverlusten und allgemein zu einem menschlichen Strukturzerfall führen.
Die Psychologie verwendet zur Überprüfung dieser Fragen zwei verschiedene wissenschaftliche Methoden, die zu unterschiedlichen Befunden führen können. Die eine beruft sich vorwiegend auf eine naturwissenschaftlich „erklärende“ und auf objektive „Draufsicht“ gerichtete verhaltenstheoretisch-behavioristische und kognitiv-neuronale Methode. Die andere unternimmt einen, sich auch an den geisteswissenschaftlichen Methoden orientierenden Versuch einer verstehenden „Einsicht“ in die „geistige, psychische Struktur“ des Menschen und beruft sich darauf, dass diese Struktur allein naturwissenschaftlich nicht adäquat erfasst werden kann.
Ich möchte das methodenkritisch, aber auch konkret an Beispielen meiner Forschungsarbeit über die zwei, unsere Lebensgestaltung wohl zentral mitbestimmenden Entscheidungsfelder aufzeigen, die Berufswahl und die Partnerwahl.